INSIGHT Corporate Governance Germany

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Interview von Rita Syre

Herr Smend, welche Themen beschäftigen Aufsichtsräte in Deutschland derzeit besonders?

Smend: Die Haftungsfrage und der Wandel des Aufsichtsratsverständnisses. Der Aufsichtsrat wandelt sich zunehmend von einem reinen Kontrolleur zu einem richtigen Sparringspartner für den Vorstand. Als solcher muss er dem Vorstand bei strategischen Fragen als ebenbürtiger Partner zur Verfügung stehen.

Beim Fall VW wurde das Agieren des Aufsichtsratschefs als Gutsherrenart kritisiert. Ist dies eine Ausnahme?

Smend: Ja. Im Großen und Ganzen hat die Professionalisierung der Aufsichtsräte in den Spitzenunternehmen enorm zugenommen – auch, weil die Vertreter der Deutschland AG in den Kontrollgremien zunehmend durch professionelle Aufseher ersetzt werden. Hier und da sind die ersten Berufsaufsichtsräte tätig. Herr Börsig bei der Deutschen Bank ist so ein Fall. Ein Mann mit breitem unternehmerischen Hintergrund (RWE, Bosch) und gremienerfahren. Er kann sich ganz auf seine Arbeit als Aufsichtsratsvorsitzender konzentrieren. Bei VW widersprechen manche Vorgänge den Regeln guter Unternehmensführung und haben nichts mit guter Corporate Governance zu tun. Es darf zum Beispiel nicht zuerst ein Vorstandsvertrag um 5 Jahre verlängert werden und dann wenige Monate später dieselbe Person zum Rücktritt gezwungen werden. Die Rücktrittsgründe lagen schon bei der Vertragsverlängerung vor.

Vor dem Landesgericht in Düsseldorf wurde der Mannesmann-Fall wieder verhandelt. Welche Wirkung hat dies auf die Aufsichtsarbeit?

Smend: Die Aufsichtsratsmitglieder sind deutlich für die Erfüllung ihrer Pflichten sensibilisiert worden. Es stand unabhängig vom Ausgang des Prozesses fest, dass Entscheidungen des Gremiums auf der Grundlage von Regeln zu treffen sind. Und eine davon ist, dass Leistungen nur dann bezahlt werden, wenn sie der Wertsteigerung des Unternehmens dienen und nicht dem Wohl einzelner Personen.

Ost es wegen der steigenden Haftungsrisiken nun schwerer, gute Aufsichtsräte zu rekrutieren?

Smend: Durch die steigenden Haftungsrisiken überlegen Aufsichtsratskandidaten sehr viel intensiver, ob sie den Zeitaufwand für diese Tätigkeit leisten können und wollen. Denn durch die gestiegenen Anforderungen reicht es nicht mehr aus, an vier Aufsichtsratssitzungen im Jahr teilzunehmen. Dazwischen ist viel mehr Arbeit zu leisten als früher.

Auch, weil insbesondere der Aufsichtsratschef immer häufiger im Kontakt mit Investoren steht?

Smend: Die Gespräche zwischen Aufsichtsrat und Investoren werden sehr viel intensiver. Und diese Investoren sind in der Regel sehr gut vorbereitet.

Steigt dadurch das Konfliktpotential zwischen Vorstand und Aufsichtsrat?

Smend: Das Klima zwischen den beiden Gremien wird härter.

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