Aufsicht und Rat
BerlinNews, 15.11.2002.
Aufsicht und Rat: In der IBB wurde die Deutsche Agentur für Aufsichtsräte vorgestellt
Guter Rat kann teuer werden – wenn er fehlt. 45 Prozent aller Insolvenzen, von denen es im vergangenen 49.000 in Deutschland gab, sind auf klassische Managementfehler zurückzuführen. Mit einer guten Beratung, wie sie Aufsichtsräte bei Aktiengesellschaften und Beiräte bei GmbHs geben sollen, wäre das vielfach zu verhindern gewesen. Hier setzt die neu gegründete Deutsche Agentur für Aufsichtsräte an, die gestern in der Investitionsbank Berlin (IBB) vorgestellt wurde.
Ziel der neuen Agentur ist, den rund 6000 Aktiengesellschaften und 980.000 GmbH in Deutschland sachkundige Berater für ihre Aufsichtsgremien zu vermitteln, erklärte Agentur-Geschäftsführer Axel Smend. Man wolle „die besten Köpfe finden“ und sie durch Schulungsangebote für ihren Aufsichtsrats-Job qualifizieren. Smend, zuletzt Generalbevollmächtigter bei der DZ Bank AG, räumte ein, dass das Image des Aufsichtsrates in den letzten Jahren gelitten habe. „Wo Kompetenz, Zivilcourage und Unabhängigkeit gefragt waren, dominierten häufig Abwickler, Claqueure und sogenannte gute Freunde“, sagte Smend. Aber gerade wenn das Unternehmen in einer Krise stecke, seien vor allem Beratungs-Profis gefragt.
Vor diesem Hintergrund hätten zwei öffentlich-rechtliche Banken – die Berliner IBB und die Norddeutsche Landesbank – zusammen mit acht privaten Unternehmern in Form einer „public private partnership“ die Deutsche Agentur für Aufsichtsräte gegründet, die ihren Sitz in Berlin hat.
Heinz Dürr, Ex -Bahnchef, der heute selbst vier Aufsichtsräten angehört, unterstrich die Notwendigkeit einer solchen Vermittlungsbörse. Dies gelte vor allem für Aktiengesellschaften, die immer häufiger von mittelständischen Unternehmen gegründet werden (2001: 1800 neue AG-Eintragungen in Deutschland). Dafür ist ein mindestens dreiköpfiger Aufsichtsrat gesetzlich vorgeschrieben. „Der Bedeutung dieses Kontrollgremiums wird aber nicht genügend Bedeutung beigemessen“, hob Dürr hervor. Gefragt seien „Sparringspartner“ für das Management des Unternehmens, die „kompetent, unanhängig und zu strategischen Dialog bereit“ sein müssten.
Die Aufsichtsräte, die die Agentur vermitteln will, werden zunächst aus den Netzwerken der beteiligten Gesellschafter kommen, darunter dem hauptberuflichen Aufsichtrat Hans Ulrich Abshagen sowie Steuerberater, Investoren, Verleger und Werbefachleuten. Für diet Startphase der Agentur rechnet Smend mit „vier Mandaten pro Monat“.
In Schulungen und Seminaren will die Agentur sowohl „den alten Hasen als auch den Neulingen in Aufsichtsräten“, so Smend, Basiswissen und Hintegrunderfahrungen vermitteln. Neue Themen, auf sich Aufsichtsräte einstellen müssen, seien unter anderem der Unternehmenkodex für Großunternehmen, Veränderungen bei Haftungs- und Stuerungsfragen sowie der Umgang mit Insiderwissen, der in der Vergangenheit vor allem bei börsennotierten Unternehmen der New Economy für Scherereien gesorgt hatte. Die Aufsichts- und Beiräte will die Agentur in erster Linie an mittelständische Unternehmen vermitteln, unabhängig von ihrer Rechtsform.
Manfred Ronzheimer