Wie ein Seiltänzer
01.06.2012 · Der neue Aufsichtsratschef der Deutschen Bank soll verlorenes Vertrauen wiederherstellen – und die zwei Vorstandsvorsitzenden ausbalancieren. Keine Frage: Paul Achleitner steht vor einer Herkulesaufgabe.
Seine schmerzlichste Niederlage, kurz vor seinem Ausscheiden bei der Allianz, dürfte Paul Achleitner in der Nacht zum 20. Mai erlebt haben. Da saß er auf der Tribüne der Allianz-Arena, blickte kurz in den schwarzen Himmel über München und machte sich dann schnurstracks, begleitet von seinem Sohn, auf den Heimweg. Wenige Sekunden zuvor hatte Bastian Schweinsteiger den entscheidenden Elfmeter im Finale der Champions League gegen den FC Chelsea verschossen.
Vom Fußballbesuch abgesehen, verlief die Abschiedstournee des langjährigen Finanzchefs der Allianz reibungslos. Lobende Worte hier und da, in Berlin vom Gastredner und Freund Joschka Fischer, in München vom Vorstandsvorsitzenden Michael Diekmann. Einen wie ihn, da sind sie sich bei der Allianz ganz sicher, wird man schmerzlich vermissen.
Unternehmenskultur hat gelitten
Einen wie ihn braucht die Deutsche Bank dagegen dringender denn je. Das ist am Donnerstag auf der Hauptversammlung des Instituts Tenor der 7000 Aktionäre. Auch hier, in der Frankfurter Festhalle, finden sie lobende Worte für den kleinen Österreicher, der bei der Allianz zwölf Jahre lang für die großen Geschäfte verantwortlich war. Nicht minder groß ist die Herausforderung bei der Deutschen Bank. Der lange Machtkampf zwischen Achleitners Vorgänger Clemens Börsig und dem Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann hat tiefe Spuren hinterlassen. Achleitner muss die aus den Fugen geratene Unternehmenskultur wiederherstellen, muss wie ein Seiltänzer die Balance finden zwischen dem Investmentbanker Anshu Jain und Deutschland-Chef Jürgen Fitschen, den beiden Ackermann-Nachfolgern auf dem Chefposten der Bank.